Gaia – Bäume sind cool
Seit Millionen von Jahre waren Bienen nie auf die Hilfe des
Menschen angewiesen. Wir hingegen hätten ein ziemliches
Problem, sollten Bienen und andere Insekten plötzlich ver-
schwinden. Ohne Bienen müssten wir nicht nur auf Honig
verzichten, auch zahlreiche Obst- und Gemüsesorten gäbe
es nicht mehr. Etwa 80 Prozent unserer Nutz- und Wild-
pflanzen sind auf Bestäubung durch Insekten angewiesen.
Würden sie verschwinden, käme es vermutlich zu einer öko-
logischen Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes, welche
letztlich auch fatale Auswirkungen auf uns Menschen hätte.
Ohne die Hilfe der kleinen Brummer, Kriecher und Krabb-
ler aus dem Insektenreich würden wohl die meisten Pflan-
zen einfach verschwinden. Und mit Ihnen unzählige Tierar-
ten, die wiederum auf deren Existenz und der damit ver-
bundenen Bestäubungsleistung angewiesen sind. Dies würde
letztlich wohl zum Kollaps ganzer Ökosysteme führen. Ein
Szenario, welches wir in seiner gesamten katastrophalen
Auswirkung nur ansatzweise erahnen können. Umso wichti-
ger ist es, dass wir alles dafür tun, die natürliche Artenviel-
falt zu erhalten.
Leider liefern uns wissenschaftliche Studien hierzu immer
wieder erschreckende Zahlen, welche uns eigentlich schon
längst zu einer radikalen Umkehr im Umgang mit unserer
Natur und der sich darin befindlichen Insektenwelt hätten
kommen lassen sollen.Von den ursprünglich in Mitteleuropa etwa 560 verschie-
denen Wildbienenarten sind bereits etwa die Hälfte auf der
»Roten Liste« als »bestandsgefährdet« eingeordnet und ste-
hen damit kurz vor dem Aussterben oder sind bereits ausge-
storben. Nur etwa 37 % gelten als »ungefährdet«. Die restli-
chen Arten sind entweder sehr selten, stehen auf der Vor-
warnliste oder können wegen mangelnder Datenlage nicht
eingestuft werden. Wissenschaftliche Langzeitstudien liefern
immer wieder erschreckende Hinweise darauf, dass die An-
zahl an Wildbienen und anderer Insekten in den letzten
Jahrzehnten massiv zurückgegangen ist.
Insekten machen ca. 80 % aller tierischen Lebewesen aus
und sind somit einer der wichtigsten Grundbausteine aller
Ökosysteme. Als Bestäuber von Blütenpflanzen sind sie so
unter anderem auch für den Menschen von unermesslichem
Wert.
Eine im Oktober 2017 im Fachjournal »PLOS ONE
« zu-
sammen mit Wissenschaftlern aus den Niederlanden und
Großbritannien veröffentliche »Langzeit-Monitoring-Studie«
des »Entomologischen Vereins Krefeld e.V.« hat internatio-
nal für große Aufmerksamkeit gesorgt. Die von den For-
schern über einen Zeitraum von 1989 bis 2016 gemessenen
Daten deuten auf einen Biomasseverlust an Fluginsekten
von durchschnittlich 76 Prozent an den bemessenen Stand-
orten hin. So konnten die Wissenschaftler 1989 noch durch-
schnittlich 1,6 Kilogramm Insektenbiomasse pro Falle mes-
sen. Wohingegen es 2016 nur noch durchschnittlich 300
Gramm waren. Anzumerken ist hier, dass die Messungen in
Naturschutzgebieten durchgeführt wurden.

Würde man dievielen Monokultur- und Bebauungsflächen mit einbeziehen,
wäre das Ergebnis vermutlich noch dramatischer.
Zwar wurde das Monitoring der Insekten in der Vergan-
genheit wissenschaftlich stark vernachlässigt, doch deuten
zahlreiche weitere entomologische Studien (Entomologie:
wissenschaftliche Erforschung der Insekten, Insektenkunde)
ebenfalls auf einen gravierenden Rückgang der Insekten
hin. Als Hauptursache hierfür sehen Fachleute das Ver-
schwinden von Nistmöglichkeiten durch Zerstörung des Le-
bensraums sowie die Verminderung des Nahrungsangebots
und den großflächigen und massenhaften Einsatz von Pesti-
ziden in der industriellen Landwirtschaft.
Eine 2019 veröffentlichte Langzeitstudie der »Technischen
Universität München« bestätigte den massiven Rückgang an
Biomasse bei Insekten und zeigte, dass der Rückgang eben-
so die Häufigkeit und die Artenzahl von Insekten betrifft.
Hierfür werteten Wissenschaftler Daten zur Biomasse, Häu-
figkeit und Artenzahl von Insekten auf insgesamt 150 ver-
schiedenen Grünflächen sowie 140 verschiedenen Waldflä-
chen in drei Regionen Deutschlands aus und veröffentlich-
ten alarmierende Ergebnisse. So sank die Biomasse der In-
sekten auf Grünflächen innerhalb von 10 Jahren um 67 Pro-
zent, wobei die Häufigkeit sogar um erschreckende 78 Pro-
zent abnahm. Die Anzahl an Arten auf Grünflächen sank in
dieser Zeit um ganze 34 Prozent. Der im Studienzeitraum
bemessende Rückgang auf den Waldflächen war zwar etwas
niedriger, aber trotzdem nicht minder besorgniserregend.
So war hier im selben Zeitraum eine durchschnittliche Ab-
nahme der Biomasse um 41 Prozent und bei der Artenzahlum 36 Prozent zu verzeichnen.

Signifikant dabei: Am höchs-
ten war der Verlust an Insekten auf Flächen, die in der Um-
gebung von intensiv bewirtschafteten Gebieten lagen.
Allein in der EU werden jährlich etwa 300.000 Tonnen
Pestizide ausgebracht. Weltweit sollen es nach dem von der
»Heinrich-Böll-Stiftung«, dem Verein »Pestizid-Aktions-Netz-
werk«, dem »Bund für Umwelt und Naturschutz Deutsch-
land« und der Zeitschrift »Le Monde Diplomatique« zusam-
men veröffentlichten »Pestizidatlas« etwa 4 Millionen Ton-
nen sein – Tendenz steigend. So liegt der Wert etwa 80 Pro-
zent über dem von 1990. Die Zahl der jährlich von Pestizid-
vergiftungen betroffenen Menschen sei weltweit auf etwa
385 Millionen gestiegen, wie ebenfalls im Pestizidatlas zu le-
sen ist. Dass allein das Spritzen von Hunderttausenden Ton-
nen an »Insektenvernichtungsmitteln« zum Verschwinden
der Insekten beiträgt, sollte selbst dem Laien einleuchten.
Immer mehr Studien deuten darauf hin, dass der Einfluss
sogenannter »unbedenklicher« Pestizide auf die Gesundheit
und Vitalität von Bienen und anderen Insekten höher ist als
vermutet. Gleichzeitig trägt das massenhafte Ausbringen
von sogenannten »Unkrautvernichtungsmitteln« zur Bedro-
hung zahlreicher Wildblumenarten bei, sodass diese als
Nahrungsgrundlage für alle nektarsammelnden Insekten
wegfallen. Bunte Getreidefelder, durchsetzt mit Korn- und
Mohnblumenblüten sind heute leider ein sehr seltener An-
blick geworden. Pestizidrückstände sind inzwischen überall
in der Umwelt nachweisbar. In Böden und Gewässern sowie
auch im menschlichen Körper.

Welche Auswirkungen diesauf die Umwelt oder unsere Gesundheit hat, kann derzeit
niemand vorhersagen.
Ältere Autofahrerinnen und Fahrer werden bestätigen
können, dass sie in früheren Zeiten regelmäßig anhalten
mussten, um die Frontscheiben ihrer Autos von toten Flug-
insekten zu säubern. Heute ist dies kaum noch der Fall. Ei-
nes der zahlreichen kleinen Indizien, dass unsere Insekten-
welt massiv bedroht ist und wir dem sogenannten »Stum-
men Frühling« immer näher rücken.
Die Bezeichnung des »Stummen Frühling« wurde von der
Biologin Rachel Carson und ihrem 1962 erschienenen Buch
»Silent Spring« (deutscher Titel: »Der stumme Frühling«) ge-
prägt. Das Buch wird als eines der richtungsweisendsten Bü-
cher des 20. Jahrhunderts beschrieben, nahm massiven Ein-
fluss auf die immer stärker werdende weltweite Umweltbe-
wegung und hatte durch die daraufhin ausgelöste politische
Debatte massiven Anteil an dem späteren DDT-Verbot in
den USA.


Doch kann das »Verstummen« der Natur tatsächlich auch
wissenschaftlich gemessen und quantifiziert werden. So
konnte zum Beispiel die Wissenschaftlerin Catriona Morri-
son von der »University of East Anglia« in Norwich (Eng-
land) und ihre Kollegen aus den Daten von Vogelzählungen
für rund 200.000 Orte in Europa und Nordamerika von vor
fünfundzwanzig Jahren bis in unsere heutige Zeit sowie mit-
hilfe einer Datenbank, welche die typischen Gesänge von
rund tausend Vogelarten enthält, rekonstruieren wie die
akustische Geräuschkulisse des Vogelgesangs an diesen
Standorten vor fünfundzwanzig Jahren klang und wie sieheute klingt.

Anschließend analysierten die Forscher quanti-
tativ, wie sich der Vogelschwund auf die Intensität, Hetero-
genität, die Dichte sowie die akustische Vielfalt des Vogelge-
sangs ausgewirkt hat. Das erschreckende Ergebnis war, dass
der Vogelgesang in den so verglichenen fünfundzwanzig
Jahren insgesamt wesentlich leiser und eintöniger geworden
ist. Sowohl an den Standorten in Europa wie auch in
Nordamerika. Sprich, der drastische Rückgang an Vögeln
ist inzwischen auch akustisch hörbar. Und genau diese Be-
fürchtung, dass unser Umgang mit der Natur und unsere ag-
gressive Landwirtschaftspolitik letztlich zum Aussterben und
somit zum Verstummen der Vögel führen wird, beschrieb
die Biologin Rachel Carson bereits schon 1962.
Durch die starke Umstrukturierung unserer Umwelt sowie
dem massenhaften Pestizideinsatz haben wir in den letzten
sechzig Jahren viele Arten bereits ausgerottet und sind da-
bei, unsere gesamte Insektenwelt zu vernichten. Und damit
folglich auch die darauf aufbauenden Ökosysteme. Bereits
ausgestorbene Arten sind vermutlich unwiederbringlich ver-
loren, jedoch sollte es nun oberste Dringlichkeitsstufe ha-
ben, die noch vorhandenen Arten zu schützen und zu be-
wahren. Eine Aufgabe, die wir alle gemeinsam meistern
müssen, um auch den nächsten Generationen noch eine
bunte, schöne und lebenswerte Umwelt hinterlassen zu kön-
nen.
Das wissenschaftliche Fachmagazin »Nature Communica-
tions« veröffentliche jüngst eine Studie des »Schweizer For-
schungsinstituts für biologischen Landbau« (FiBL), in der für
verschiedene Modellszenarien errechnet wurde,
dass einkompletter Umstieg auf ökologisch-nachhaltige Landwirt-
schaft, sprich eine Landwirtschaft ohne den massenhaften
Einsatz an Pestiziden, unter bestimmten Voraussetzungen
durchaus möglich ist. Hierfür wäre lediglich eine Reduktion
des Pro-Kopf-Fleischkonsums sowie eine Einschränkung un-
serer Nahrungsmittelverschwendung durch das massenhafte
Wegwerfen von Lebensmitteln nötig. Zwei durchaus umsetz-
bare Änderungen! Der dadurch angeblich entstehende und
viel befürchtete wirtschaftliche Rückschritt wäre in Wirklich-
keit ein zukunftsorientierter, ökologischer und gesellschaftli-
cher Fortschritt, dessen Nichtumsetzung zu einer Katastro-
phe führen würde, welche wiederum nicht nur stark wirt-
schaftliche Schäden für uns mit sich bringen, sondern letzt-
lich sogar unsere Existenz bedrohen könnte.

Wenn wir nicht wollen, dass Kinder in der Zukunft nie-
mals eine Biene – emsig von Blüte zu Blüte fliegend – beim
Sammeln von Nektar beobachten oder über die prachtvolle
Vielfalt einer mit unzähligen bunten Wildblumen durchsetz-
ten Sommerwiese staunen können, sollten wir möglichst
schnell umlenken!